Rezensionen - Warum gerade ich...?

uni tueb

Prof. Dr. Jürgen Moltmann,Theologische Fakultät der Universität Tübingen und
Forschungsstelle der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST), Heidelberg
In: Publikation der Forschungsstelle der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST), Heidelberg, 1984


… Erika Schuchardt ist es auf wunderbare Weise gelungen, ihre 'Fragen an die Theologie’ einzurahmen in die These, dass Theologie zurückzugehen habe zum Leiden … Dieses Buch ist voller Erfahrung und Einsicht. Es führt in eine menschlichere Gemeinschaft ...

Rezension: Ihr gelingt der Nachweis: Die Theologie muss zu den Betroffenen zurückkehren

Was behinderte und nichtbehinderte Menschen zum Leben brauchen ist Gemeinschaft, Begleitung, Interesse und die gegenseitige Tröstung. Was sie beide nicht brauchen ist die Abwendung, Verlassenheit .Beziehungslosigkeit und die mildtätige Betreuung, die das Wiedergutmachen will. Dies muß sich auch in den Büchern über die Probleme der behinderten und nichtbehinderten Menschen wiederspiegeln.

Erika Schuchardt ist es auf eine wunderbare Weise gelungen. Sie geht von den Erfahrungen Betroffener und Angehöriger aus und läßt uns zuerst auf sie hören. Kinderlähmung, Depression, Blindheit, Schwachsinn, Krebskrankheit; wer, wenn nicht die Betroffenen, wissen, was das bedeutet! Mit großer Sensibilität deckt sie die Lernprozesse auf, die in diesen Leidensgeschichten zum Ausdruck gebracht werden. Der aufmerksame Leser dieses Buches wird in diese Prozesse hineingezogen und zum Teilnehmer.'

"Behinderung und Glaube" heißt der Untertitel. Darum wird die Gottesfrage zum Leitfaden der Berichte, die hier wiedergegeben werden. Im 5.Kapitel wird sie zum Thema gemacht: "Theologisches zu Leiden und Leidensfähigkeit". Küng, Soelle, A.Müller und Greshake werden mit ihren Ansichten zur Theodizeefrage "Gott und das Leiden" gehört. Erika Schuchardt läßt sich dann aber mit richtigem Gespür nicht auf diese Theorieebene ein, sondern formuliert ihren "Fragen an die Theologie"(147 ff) so - eingerahmt in die These - , daß die Theologie zu den Betroffenen, zum Leiden, zurückkehren muß: "Im Glauben erfahren die Verlassenen Gottes Nähe, seltsam genug, auch durch die Nähe von Menschen, die bei ihnen ausharren. Dies Ineinandergreifen der Bewahrung durch Gott mit der armseligen menschlichen Begleitung bezeugen die Biographien als entscheidende Erfahrung in der Krise"(148). Muß nicht die Theologie diese "fundamentale Bedeutung der Beziehungsfähigkeit" für die Menschlichkeit des Menschen und auch, wie ich hinzufügen möchte, für die Göttlichkeit Gottes durchdenken?

Dieses Buch ist voller Erfahrung und Einsicht. Es führt in eine menschlichere Gemeinschaft von behinderten und nichtbehinderten Menschen ein.