Rezensionen - Diesen Kuss der ganzen Welt

thirring 2Prof. Dr. Walter Thirring, Director des Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire (CERN), Wien 2009 flagge oesterreich 30x52

„Ihr Buch ist eine Schatzkammer der Kultur, die im Wien des 19. Jahrhunderts beginnt und dann immer weitere Spiralen zieht ...

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Diesen Kuss der ganzen Welt: Mit diesem Schillerzitat beginnt die Titelseite und weist gleich die richtige Richtung. Beethoven war ein Geschenk an die ganze Menschheit und darf nicht von einer Gruppe oder Kaste monopolisiert werden. Jeder, ob Fachmann oder nicht, wenn er vom Geist getrieben wird, hat die Berechtigung dieses Wunder auf sich wirken zu lassen und seine Gedanken und Gefühle dann kund zu tun. Allerdings wird dies nur wenigen in so großem Stil wie Erika Schuchardt gelingen. Sie ist zwar keine Musikologin, hat aber den Musikliebhabern einen großen Dienst getan. Ihr Buch ist eine Schatzkammer der Kultur, die im Wien des 19. Jahrhunderts beginnt und dann immer weitere Spiralen zieht. Das Kernstück ist das Heiligenstädter Testament (an dessen Aufbewahrungsort mich mein täglicher Morgenspaziergang vorbeiführt). Hier bahnt sich die Tragödie (oder Krise) Beethovens an.

Er war gehörlos aber doch ist ein noch Viertel Jahrhundert die wunderbarste Musik aus ihm herausgeflossen. Dies beweist: Sie ist nichts materielles, sie ist purer menschlicher Geist. Beethoven bedurfte des materiellen Vehikels der Luftschwingungen nicht mehr, er konnte sie in der neunten Symphonie bis ins Sternenzelt führen. Es ist klar, dass sich so eine Ausnahmeerscheinung nicht reibungslos in die bürgerliche Gesellschaft einbetten lässt. Diese Tragödie ist in dem Buch üppig dokumentiert und interpretiert, wie man überhaupt aus dem Staunen über die Ausstattung des Buches nicht herauskommt. Wie man 300 prächtige Farbtafeln für weniger als € 20 bekommen kann bleibt ein Rätsel.

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Prof. Dr. Walter Thirring,
Direktor des Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire (CERN), 2009

  Genf, Februar 2009